Umweltdachverband

Fremde Wurzeln, neue Chancen?

Ein Artikel von Tina Leonhard, Umweltdachverband | 04.07.2025 - 08:38

Österreichs Wälder sind Hotspots der Biodiversität – unzählige Tier- und Pflanzenarten, Pilze und Flechten leben hier. Doch diese sind zunehmend durch den Klimawandel gefährdet. Um die Auswirkungen des Klimawandels im Wald wie abiotischen Stress und Kalamitäten – etwa durch den Borkenkäfer – auszugleichen, sollen unter anderem gebietsfremde Baumarten genutzt werden. Der Begriff „gebietsfremd“ beziehungsweise „nichtheimisch“ bezeichnet Baumarten, Zuchtformen oder Hybride, deren heutiges Vorkommen im Alpenraum auf menschliches Zutun – gezielt oder unbeabsichtigt – zurückzuführen ist.
Das Problem bei gebietsfremden Baumarten: Manche können sich invasiv ausbreiten, heimische Arten verdrängen und die Struktur der Wälder dauerhaft verändern. Aktuell beträgt die Fläche mit invasiven gebietsfremden Baumarten – darunter Eschenahorn und Götterbaum – hierzulande rund 33.000 ha. Um der Frage nachzugehen, welche Rolle gebietsfremde Baumarten in Zeiten des Klimawandels und für den Naturschutz spielen und welche Risiken mit ihrer Ausbreitung einhergehen, organisierte der Umweltdachverband Ende Mai eine Exkursion mit dem Titel: „Von der Korsischen Schwarzkiefer bis zum Eschenahorn – Chancen und Risiken gebietsfremder Baumarten im Osten Österreichs“. Entdeckungsgebiete der Exkursion waren für die 35 Teilnehmenden der Klimaforschungswald Matzen sowie der Nationalpark Donau-Auen.

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Der Klimaforschungswald Matzen im östlichen Weinviertel © Umweltdachverband

Erster Halt im Klimaforschungswald Matzen
Am Vormittag erreichte die Gruppe bei sonnigem Wetter den vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) betreuten Klimaforschungswald Matzen – eine Fläche von 7 ha in der heißesten und trockensten Klimaprovinz Österreichs, dem Pannonischen Tief- und Hügelland. Mit einem Niederschlag von 450 mm/J ist das Gebiet repräsentativ für die klimatischen Verhältnisse, wie sie zukünftig wohl in weiten Teilen Österreichs anzutreffen sein werden, und daher prädestiniert, die Trocken- und Wärmeresistenz verschiedener heimischer und nichtheimischer Baumarten zu erforschen und deren physiologische Grenzen auszutesten. Die Forschungsergebnisse sollen dazu beitragen, Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern Anbauempfehlungen mit einer günstigen Prognose aussprechen zu können. 

Wanderhilfe für Bäume: Assisted Migration
Das Konzept „Assisted Migration“ (wörtlich übersetzt: unterstützte Wanderung) spielt im Klimaforschungswald eine wichtige Rolle. Denn das Klima verändert sich schneller, als heimische Baumarten ihre Genetik daran anpassen können – Baumarten aus Südeuropa können sich daher nicht von selbst nach Norden ausbreiten. Durch Assisted Migration sollen die Baumarten bei der Wanderung in klimatisch geeignete Gebiete unterstützt und so die Anpassungsfähigkeit und Stabilität der Wälder langfristig gesichert werden. Auch in der EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur wird die Assisted Migration als Renaturierungsmethode genannt. Ein kleiner Rundgang auf der Fläche gab bereits Einblicke darüber, welche Baumarten potenziell den zukünftigen klimatischen Bedingungen trotzen könnten – zu nennen sind beispielsweise Douglasie, Korsische Schwarzkiefer und die Hybridlärche als Kreuzung zwischen Europäischer und Japanischer Lärche. Blauglockenbaum und Zürgelbaum blieben bislang hinter den Erwartungen zurück.
Generell ist das Konzept der Assisted Migration jedoch auch mit Unsicherheiten und Risiken verbunden – etwa hinsichtlich ökologischer Wechselwirkungen, Invasivität oder genetischer Vielfalt. Daher sind ein vorsichtiges, wissenschaftlich begleitetes Vorgehen und eine enge Verzahnung von Forschung, Praxis und Monitoring unbedingt notwendig. 

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In der Schönauer Au werden heimische Silberweiden durch den invasiven Eschenahorn bedroht. © Umweltdachverband

Das Management invasiver Arten im Nationalpark Donau-Auen
Nach der Mittagspause ging es für die Teilnehmenden weiter in den Nationalpark Donau-Auen – der größten zusammenhängenden Flussauenlandschaft in Mitteleuropa. Der 1996 gegründete Nationalpark erstreckt sich vom 22. Wiener Gemeindebezirk bis zur österreichischen Staatsgrenze und ist ökologisch besonders wertvoll.
Bei einer Wanderung auf Waldflächen der Österreichischen Bundesforste im Nationalpark wurde schnell deutlich: Auch vor Schutzgebieten machen gebietsfremde Organismen nicht Halt, was sich insbesondere am Eschentriebsterben zeigt: Darunter versteht man eine durch die Einschleppung des aus Ostasien stammenden Pilzes Hymenoscyphus fraxineus (Eschen-Stängelbecherchen) verursachte Krankheit, die seit den 1990er-Jahren in Europa massive Schäden an der Gemeinen Esche verursacht. Der Pilz infiziert vor allem junge Triebe und Blätter, führt zu Nekrosen, zum Absterben von Ästen und langfristig häufig zum Tod des gesamten Baumes. Die Krankheit stellt eine erhebliche Bedrohung für die Esche als heimische Baumart dar und hat gravierende ökologische und ökonomische Folgen, insbesondere in Auwäldern. Während in Wirtschaftswäldern darauf geachtet werden musste, befallene Eschen rechtzeitig zu verwerten und somit zu schlägern, konnten im Nationalpark Eschenbestände unberührt bleiben und für die Forschung genutzt werden. Denn im Schutzgebiet ist die wirtschaftliche Nutzung eingestellt und die Entwicklung der Bestände kann – gleich einem großflächigen Freilandlabor – über lange Zeiträume beobachtet werden. So dient der Nationalpark als wichtiger Genpool für die Wissenschaft und trägt wesentlich dazu bei, mittels Monitoring beizeiten die Entwicklung potenzieller Resistenzen zu erkennen. Einzig stark befallene Bäume, die entlang des Wegenetzes ein Risiko für Besucherinnen und Besucher darstellen, werden im Rahmen der Wegesicherung regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf entfernt. Langfristig könnte das Programm „Esche in Not“ von BFW und BOKU (Universität für Bodenkultur Wien) dazu beitragen, resistente Eschen zurück in das Schutzgebiet zu bringen und der Esche und allen damit verbundenen Organismen wieder ihren gebührenden Platz zu sichern.
Um eingeschleppte und stark zur Selbstausbreitung neigende Gehölze wie Robinie, Götterbaum und Eschenahorn zurückzudrängen, wurde auf einem Großteil des Nationalparks die Methode der Ringelung eingesetzt. Dabei werden Streifen der Rinde ringförmig entfernt, wodurch die behandelten Bäume langsam absterben und weniger zum Neuaustreiben angeregt werden. Mittlerweile wurden diese großflächigen Maßnahmen jedoch eingestellt und es wird nur noch lokal, im Fall von „Neuankömmlingen“ oder der Bedrohung besonderer Schutzgüter, aktiv eingegriffen.

Prozessschutz versus Naturschutz?
Im Nationalpark steht ein Großteil der Gesamtfläche unter Prozessschutz – das heißt, die Natur soll sich hier weitgehend unbeeinflusst entwickeln. Dies gilt auch für die Naturzone der flussferneren oder überhaupt vom Hochwasser abgedämmten Wald- und Gewässerflächen, auf denen langfristig zwar auentypische Arten und Lebensräume bewahrt werden sollen, aber keine auentypische Entwicklung zu erwarten ist. Im Spannungsfeld zwischen prozessorientiertem Naturschutz und bewahrendem Artenschutz ist es daher notwendig, Prioritäten zu setzen, da Ansprüche einzelner Gruppen wie der terrestrischen Vegetation, der Fische und anderer Arten mitunter stark divergieren.
Eine Möglichkeit, die natürlichen Prozesse des Nationalparks aus der Nähe zu sehen, erlebte die Gruppe am Ende der Tour auf einem naturbelassenen Weg. Hier folgt die Natur ihren eigenen Spielregeln: Besucherinnen und Besuchern soll hier ein unverfälschtes Naturerlebnis ermöglicht werden. Bäume dürfen alt werden, absterben und dienen als wichtige und notwendige Lebensgrundlage für viele Organismen.

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Exkursionsteilnehmende im Nationalpark Donau-Auen © Umweltdachverband

Die Resilienz heimischer Ökosysteme stärken!
Der Klimawandel stellt Bewirtschafter und Naturschutz vor die Herausforderung, den Wald der Zukunft an veränderte Bedingungen anzupassen. Wie das mithilfe von heimischen und nichtheimischen Baumarten gelingen könnte, wurde bei der Exkursion aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Klar ist: In erster Linie sollten die Anpassungen an den Klimawandel durch die Förderung der natürlichen Resilienz heimischer Ökosysteme erfolgen, nicht durch deren Ersatz mit gebietsfremden Arten – denn diese können die Biodiversität gefährden. In Österreich bietet die gezielte Einführung klimafitter, nichtinvasiver gebietsfremder Baumarten – teils durch Assisted Migration – eine Chance zur Anpassung an den Klimawandel und damit zur Aufrechterhaltung multifunktionaler Wälder, die alle im Forstgesetz normierten Wirkungen entfalten. Dabei ist eine sorgfältige Abstimmung mit Naturschutzvorgaben sicherzustellen. Nur wo keine Risiken für Biodiversität und Ökosystemprozesse zu erwarten sind, ist der Einsatz gebietsfremder Arten sinnvoll. Beim Gang über die naturbelassenen Wege, über Stock und Stein im Nationalpark, wurde deutlich: Die Natur findet immer einen Weg, sich an verändernde Bedingungen anzupassen. Es ist nun an uns, einen Umgang damit zu finden, die Interessen aus Forstwirtschaft, Naturschutz und Wissenschaft einzubinden und rasch zu partizipativen und konsensualen Entscheidungen zu finden. Denn der Wandel ist bereits in vollem Gange. 

Die Exkursion des Umweltdachverbandes und die Erstellung des Artikels wurden im Rahmen des Waldfondsprojektes „Einfluss gebietsfremder Baumarten auf die Biodiversität heimischer Wälder“ umgesetzt.