Nachhaltige Waldbewirtschaftung beinhaltet neben dem Erhalt, der Pflege und der Nutzung des Holzvorrates auch die Bewirtschaftung des zum Lebensraum Wald gehörenden Wildes. Dabei kommt es regelmäßig zu Zielkonflikten zwischen Waldbewirtschaftern und Jagdausübenden, denn Wildtiere beeinflussen die dringend notwendige Waldverjüngung maßgeblich.
Die im Rahmen des „Forst und Jagd-Dialoges“ von Repräsentanten der Jagdverbände und der Forstwirtschaft in Österreich erarbeiteten Ziele der „Mariazeller Erklärung“ besagen, dass die Verjüngung der am Standort typisch vorkommenden Baumarten dem natürlichen Potenzial möglichst entsprechen sollte, ohne dass dazu Schutzmaßnahmen notwendig sind. Tatsächlich ist die Wildschadenssituation in Österreichs Wäldern weiterhin gravierend und die Verjüngung „klimafitter“ Mischbaumarten wird durch überhöhte Wildstände teilweise enorm beeinträchtigt oder sogar verhindert.
Gerade in Hinblick auf die sich ändernden Umweltbedingungen im Klimawandel und der damit einhergehenden Veränderung von Waldgesellschaften sind diese Tatsachen besonders besorgniserregend und verlangen nach einer Anpassung von Wildbeständen an die Tragfähigkeit des Lebensraumes, damit Grundeigentümer und Waldbewirtschafter das natürliche Potenzial ihres Waldes bestmöglich nutzen können. Dabei sind Bewirtschafter und Jagdausübende gleichermaßen gefordert, Strategien zu entwickeln, die einerseits die Wildschadensanfälligkeit von Wäldern verringern und andererseits für angepasste und tragbare Wilddichten sorgen.
Jeder Forstbetrieb, jedes Revier ist hinsichtlich seiner natürlichen Gegebenheiten individuell. Das Verjüngungs- und Baumartenpotenzial hängt von den standörtlichen und klimatischen Voraussetzungen sowie vom Ausgangsbestand und dessen Beeinflussungen wie etwa Wildeinfluss ab. Die Ergebnisse von diversen Pilotstudien des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) in drei ausgewählten Projektgebieten zeigen, dass die Fruktifikations- und Keimungsbedingungen in allen Fällen günstig sind und die Anzahl der vorhandenen Baumarten in der Verjüngung weitestgehend der Anzahl an fruktifikationsfähigen Samenbaumarten entspricht (siehe Abbildung unten). Das heißt, alle vorkommenden Baumarten in den Projektgebieten verjüngen sich erfolgreich. Der gleichzeitig hohe Wildeinfluss beeinträchtigt jedoch die Etablierung von „klimastabilen“ Baumarten im Bestandesaufwuchs erheblich. In einer Pilotregion sinkt die Anzahl an unverbissenen, für zukünftiges Klima geeigneten Baumarten auf rund ein Drittel des vorhandenen Baumartenpotenzials. Dadurch wird die Anpassung der Waldgesellschaft an klimaveränderte Wuchsbedingungen verzögert oder sogar gänzlich verhindert.
Projekt im Detail
Auf Basis der Erfahrungen in Pilotprojekten hat das BFW im Sommer 2020 ein österreichweites Projekt mit dem Namen „Integrales Wald- und Wildmanagement als Voraussetzung für Naturverjüngung und die Ausschöpfung des natürlichen Baumartenpotenzials“ gestartet. Dieses Projekt wird aus dem europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes im Rahmen des österreichischen Programmes der ländlichen Entwicklung 2014 bis 2020 (LE14-20) gefördert.
Wichtigstes Ziel ist die Erfassung der wald- und wildökologischen Verhältnisse auf Revier-, Betriebs- und Lokalebene im Hinblick auf die Nutzung der Waldverjüngungspotenziale des natürlichen Baumartenpotenzials zur Optimierung der Waldbiodiversität und einer klimastabilen Baumartenausstattung. Neben dem BFW, das für die Projektkoordination und die Bearbeitung von waldbaulichen und verjüngungsökologischen Problemstellungen verantwortlich ist, sind zwei weitere Partner am Projekt beteiligt: Die Unternehmensberatung Forstwirtschaft – Dr. Herbert Kohlross koordiniert die Auswahl der Betriebe, führt Interviews zur Selbsteinschätzung mit den jeweiligen Waldbewirtschaftern und Jagdausübenden durch. Außerdem ist er gemeinsam dem BFW verantwortlich für Aktivitäten in den Bereichen Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Die Bestimmung von Habitatqualitäten und Wilddichten erfolgt durch das Büro für Wildökologie und Forstwirtschaft – Horst Leitner, der Know-how aus den Bereichen Wildökologie und Jagd ins Projekt einbringt.
Waldbesitzer gesucht
Im Zuge dieses Projektes sollen vor allem Waldbesitzer, Forstbetriebe und Waldgemeinschaften mit hohem Problembewusstsein hinsichtlich der Wald-Wild-Thematik angesprochen werden. Innerhalb der Projektlaufzeit von drei Jahren werden etwa 20 Projektgebiete nach unterschiedlichen Kriterien ausgewählt und anschließend nach Kenndaten ihrer Wald- und Wildbewirtschaftung untersucht. Das Hauptaugenmerk bei der Auswahl der Projektgebiete richtet sich auf Forstbetriebe, Waldbesitzer, Waldgemeinschaften wie auch Eigen- und Genossenschaftsjagden mit Waldflächen zwischen etwa 200 ha und 1000 ha. Die Jagdausübung soll auf der Projektgebietsfläche einheitlich erfolgen und die Waldbewirtschafter sollten ein möglichst naturnahes, konsensorientiertes Wald- und Wildmanagement anstreben und auch bereits entsprechende Maßnahmen getroffen haben.
Realitätscheck
Nach der Betriebsauswahl erfolgen umfangreiche Untersuchungen zu wald- und wildökologischen Gegebenheiten des jeweiligen Projektgebietes. Dazu zählen Geländeaufnahmen zur Feststellung des natürlichen Verjüngungspotenziales, des Wildeinflusses, aber auch zu Habitatqualität und Lebensraumeignung sowie Erhebungen zu Dichte und Struktur der vorkommenden Wildarten mittels Fotofallen. Zum Vergleich werden die Ergebnisse der Geländeerhebungen mit der zuvor abgefragten Selbsteinschätzung der jeweiligen WaldbewirtschafterInnen und Jagdausübenden im sogenannten Realitätscheck gegenübergestellt und allfällige Abweichungen gemeinsam diskutiert. Abschließend werden für jedes Projektgebiet individuelle Handlungsempfehlungen und Strategien für ein nachhaltiges Wald- und Wildmanagement erarbeitet und den BewirtschafterInnen zur Verfügung gestellt. Ergänzend dazu können die Ergebnisse auch als Datengrundlage für die behördliche Abschussplanung herangezogen werden.
Zusammenfassend sollen im Rahmen des Projektes mehrere betriebsspezifische Ausgangssituationen hinsichtlich der Wald-Wild-Problematik aufgezeigt und untersucht werden, um anhand der Ergebnisse eine Bandbreite an unterschiedlichen Problemlösungsstrategien und Handlungsempfehlungen darstellen zu können. Das Projekt wird von Bund, Ländern und Europäischer Union gefördert.
Sie sind daran interessiert, mit Ihrer Forstbetriebsfläche oder einem Revierteil am Projekt teilzunehmen? Dann kontaktieren Sie bitte: Unternehmensberatung Forstwirtschaft (Dr. Herbert Kohlross, herbert@kohlross.at) oder das BFW (Dr. Silvio Schüler, silvio.schueler@bfw.gv.at).