Grundvoraussetzung für jede staatliche Tätigkeit der Verwaltung – und damit auch für die systematische Durchführung von Maßnahmen im Einflussbereich der Wildbach- und Lawinenverbauung – ist die Erkenntnis, dass diese Tätigkeit mit entsprechendem Erfolg und Wirkungseffekt durchgeführt werden kann. Diese Tatsache und auch deren volkswirtschaftliche Bedeutung und Notwendigkeit bauen auf einem entsprechenden Wissens- und Erkenntnisstand auf, der nicht nur theoretisch-wissenschaftliche, sondern auch Belange der Praxis inkludieren muss.
Der österreichische Gesetzgeber hat diesbezüglich 1975 einen Tatbestand im Forstgesetz geschaffen, der eines zunächst nur als individuell sachverständig geführtes Gutachten (im Sinne von Einzelbegutachtungen, vor allem anlässlich von Verwaltungsverfahren der Behörden der allgemeinen Verwaltung oder als Amtshilfe auf Ersuchen von Behörden und Dienststellen, gemäß dem Forst- und Wasserrecht sowie anderen Rechtsgebieten) auf eine normative Ebene gehoben hat. Diese Einzelbegutachtung wurde damals durch Sammelbegutachtungen ersetzt. Durch die breitflächige Beurteilung auf Gemeindeebene wurde somit im ForstG 1975 auch ein Beitrag zur Verwaltungsökonomie in Österreich geleistet.
Durch das ForstG betroffene GZP-Gemeinden in Österreich, Flächendeckung der Ausstattung mit Gefahrenzonenplänen zu 100% erreicht. Quelle: Auszug aus waldatlas.at, Datenstand: 1.1.2025 © WLV
Was ist ein Gefahrenzonenplan?
Gefahrenplanungen sind inhaltsbezogen widerlegbare flächenhafte Gutachten mit Prognosecharakter und entfalten sowohl eine innere Determinierung für die Dienststellen der Wildbach- und Lawinenverbauung (als Grundlage für die Sachverständigentätigkeit wie auch die Planung, Priorisierung und Umsetzung von Schutzvorhaben) als auch eine nach außen (Gemeinden, Bundesländer) gerichtete Informationswirkung (wie etwa im Rahmen der Raumplanung, Flächenwidmung oder des Katastrophenmanagements). Ein – nach herrschender Meinung und Rechtsprechung – Gefahrenzonenplan ist keine Verordnung mit rechtsverbindlicher Wirkung. Daher kommt Gefahrenzonenplänen keine normative Außenwirkung zu; bestimmte Gebote, Verbote oder Erlaubnisse für die Bürgerinnen und Bürger lassen sich daraus nicht unmittelbar ableiten, sodass daraus auch kein allgemeines Verbot oder Einschränkungen in der Raumplanung, der Flächenwidmung, der Bauordnung oder des Katastrophenmanagements abgeleitet werden können.
Dem Gesetzgeber im Jahr 1975 war es wichtig zu betonen, dass der informative Charakter und der damit verbundene Lenkungseffekt der Gefahrenzonenplanung im Vordergrund stehen sollten und insbesondere dem damals durchaus progressiven Ansatz der Bürgerbeteiligung im Sinne ei-ner gelebten Partizipation Nutzen gezogen werden sollte, um Detailwissen auf lokaler Ebene seine Deutungshoheit zu verleihen.
Mut zur Entscheidung
Erste Ansätze der Bewertung und Darstellung von alpinen Naturgefahren gab es bereits im 19. Jahrhundert zur Feststellung der finanziellen Beteiligung an Wildbachschutzmaßnahmen in Salzburg.
Der aktuelle Stand der Gefahrenzonenplanung der Wildbach- und Lawinenverbauung in den Gemeinden in Österreich beläuft sich auf rund 200.000 Liegenschaften in roten oder gelben Gefahrenzonen entsprechend §11 ForstG, sowie rund 550.000 betroffenen Personen in mehr als 1.400 Gemeinden. Dies mag in Relation zu Fragestellungen der Bundeswasserbauverwaltung gering erscheinen, nur ist damit nicht die Frage der direkten Betroffenheit in alpinen Tälern und Regionen befasst, die auch zur Identität und dem wirtschaftlichen Entwicklungspotenzial beitragen, geklärt.
Sicherheit ist eines der höchsten Güter und Beweggründe, die nicht nur die Gesellschaft an sich, sondern auch die staatliche Verwaltung bewegt und bewegen muss. Die Gewährleistung von „Sicherheit“ gegenüber alpinen Naturgefahren – wie Lawinen, Muren, Steinschlag oder Rutschungen – bedingt höchste fachliche Einschätzungsfähigkeit, Toleranz gegenüber Zweifeln, aber letztendlich auch den Mut zur Entscheidung. Klarheit besteht darin, dass die aktuellen rechts- und gesellschaftspolitischen Ansprüche an die Gefahrenzonenpläne weit über die ursprünglichen Intentionen des Gesetzgebers hinausreichen, bei der aktuellen Informationsanwendung jedoch nach wie vor Nachholbedarf besteht. Etwaige Haftungsfolgen einer Nichtbeachtung von GZP-Informationen sind den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen heute bewusst und haben zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Baumaßnahmen in Gefahrenzonen geführt. Pauschalen Forderungen nach Bauverboten in den Gefahrenzonen in den Medien, insbesondere nach Katastrophen, steht in der Praxis ein differenzierter Umgang mit der Nutzung von gefährdeten Flächen gegenüber, der sich am generellen Konzept der Risikoraumplanung, am objektbezogenen Risiko, der Verhältnismäßigkeit des Schutzaufwandes und der Wirkung von Schutzmaßnahmen orientiert.
Öffentlich einsehbar
Bis vor wenigen Jahren war die Publizität von Gefahrenzonenplänen umstritten und teilweise aus wirtschaftlichen Überlegungen (Beispiel Tourismus) nicht immer erwünscht; Diskussionen gab es auch in den letzten Jahren, ob die Grundsätze der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) damit verletzt würden. Heute weiß man: Nein! Die Europäische Menschenrechtskonvention verlangt sogar ein Informationsgebot des Staates, der Gefahrenzonenplan ist ein Instrument dafür.
Auch wenn Österreich mit Gefahrenzonenplänen für Hochwasser, Lawinen und Wildbäche gut ausgestattet ist, gibt es weiterhin großen Nachholbedarf bei den gravitativen Naturgefahren (Gefahren am Hang) – wie etwa Steinschlag, Felssturz und Rutschungen. Gefahrenzonenpläne bleiben daher auch für die nächsten 50 Jahre ein spannendes Thema, dem sich die Sicherheitspolitik in Österreich gerne widmet.
Webtipp: www.waldatlas.at, www.bmluk.gv.at/themen/wald/wald-in-oesterreich/raumplanung/gefahrenzonenplan/Gefahrenzonenplan.html