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Gerald Golesch vom Bundesamt für Wald bei der Besichtigung von Stieleichenbestand. © Florian Irauschek

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Saatgutbestände in der Steiermark

Ein Artikel von Marcela van Loo, Florian Irauschek, Silvio Schüler | 30.05.2025 - 11:13
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Im Klimawandel sind die Wahl geeigneter Baumarten, standortangepasster Herkünfte und die Förderung von Mischbeständen zentrale Elemente eines proaktiven Waldumbaus. Die dynamische Standortskartierung des Landes Steiermark bildet dafür eine fachlich fundierte Grundlage, auch für Herkunfts- und Anbauempfehlungen. Das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) ergänzt dies mit europaweiten Empfehlungen für den gezielten Einsatz von Saat- und Pflanzgut unter sich ändernden Klimabedingungen. Ziel der Analysen für die Steiermark war es zu evaluieren, wie lokale Saatgutherkünfte im Vergleich mit internationalen Herkünften unter zukünftigen klimatischen Bedingungen abschneiden und welche Zielregionen für den Saatguttransfer auf empirischer Basis für die Zielregion empfohlen werden können.

Digitalisierung der Saatgutbestände von der Steiermark
In Österreich sind derzeit rund 4.650 Saatguterntebestände zugelassen, davon 1.054 in der Steiermark. Etwa 72% entfallen auf Fichte und Lärche, während Laubholzarten nur 15% ausmachen. Daten zu den Saatgutbeständen sind im nationalen Register (NATREG) des Bundesamtes für Wald erfasst und liegen zusätzlich in Papierakten mit Kartenmaterial bei Behörden und Waldbesitzern auf. Im NATREG fehlen jedoch präzise GIS-Daten: Bestände sind lediglich als Einzelpunkte erfasst, obwohl viele aus mehreren Teilflächen (Bestandespolygonen) bestehen – eine genaue geografische Zuordnung ist damit nicht möglich.
Die Digitalisierung – also die Überführung der zuvor nur kartografisch eingezeichneten Bestandesgrenzen in digitale Shapefiles – schafft zentrale Voraussetzungen für eine moderne, datenbasierte Waldbewirtschaftung. Gleichzeitig erleichtert sie die administrative Planung und Evaluierung von Saatgutbeerntungen deutlich. In der Steiermark wurden insgesamt 1.604 Bestandespolygone von 1.054 Saatgutbeständen mit 16 Baumarten digitalisiert und mit den Daten des nationalen Saatgutregisters verknüpft.

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Bewertung der Saatgutbestände mittels Fernerkundungsdaten 
Für die behördliche Zulassung von Saatgutbeständen werden unter anderem die Größe der Waldfläche, die überschirmte Fläche, die Anteile der überschirmten Fläche je Baumart sowie die Anzahl der potenziellen Erntebäume erfasst. Jeder Saatgutbestand muss Mindestanforderungen erfüllen, um als „ausgewählt“ zugelassen zu werden. Die Verfügbarkeit geeigneter Bestände verändert sich laufend durch Nutzung, Kalamitäten und Alterung – gesetzlich vorgesehene Kontrollen erfolgen jedoch oft unzureichend.
Durch eine Vor-Ort-Besichtigung von 65 Saatgutbeständen in der Steiermark und den Abgleich mit Grenzwerten aus Fernerkundungsdaten, basierend auf dem Normierten Digitalen Oberflächenmodell (NDOM) aus regelmäßigen Befliegungen, wurde ein Ampelsystem mit vier Farben zur automatisierten Bewertung der Bestandesgröße entwickelt. 

  • Grün: Fläche unverändert im Vergleich zur Zulassung, beziehungsweise ≤ 20% reduziert 
  • Gelb: 20–50% Flächenverlust
  • Orange: > 50% Flächenverlust, aber noch zulassungsfähig
  • Rot: unterschreitet Mindestanforderungen

Die anschließende automatisierte Auswertung der Bestände in der Steiermark ergab, dass 72% der Bestände noch im selben Umfang vorhanden sind wie bei der Zulassung. Bei 13% der Saatgutbestände wurden Abgänge von 20–50% der bestockten Flächen festgestellt. In weiteren 15% der Fälle kam es zu starken Flächenveränderungen von mehr als 50%. Diese rund 160 Bestände sollten gezielt durch die Forstbehörden überprüft und gegebenenfalls formell neu beurteilt werden. Bei 4% der Bestände ist davon auszugehen, dass die Mindestkriterien nicht mehr erfüllt sind. Der Zustand variiert je nach Baumart.

Kategorisierung der Saatgutbestände nach Klimaregion und Standort
Die digitalisierten Saatgutbestände wurden mit den flächenbezogenen Daten der Standortskartierung der dynamischen Waldtypisierung verschnitten. Dabei wurden für jeden Saatguterntebestand die Waldvegetationszonen (als Klimaindikator), der Wasserhaushalt und die Nährstoff-Verfügbarkeit (Basenklasse) ermittelt. Diese drei Parameter beschreiben:

  • die Verfügbarkeit von Wasser über den Jahresgang der Niederschlagsverteilung und die Speicherfähigkeit des Bodens
  • die klimatischen Verhältnisse aufgrund der Höhen- und Expositionslage des Bestandes
  • die Nährstoffverfügbarkeit auf Basis der bodenchemischen Eigenschaften

Durch diese Verknüpfung konnte abgeschätzt werden, ob die derzeit zugelassenen Saatgutbestände die aktuellen standörtlichen Gegebenheiten in der Steiermark ausreichend abdecken oder ob für bestimmte Waldstandorte ein Mangel an geeigneten Erntebeständen besteht.

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Standorts- und klimaspezifische Herkunftsempfehlungen
Zur Beurteilung der Eignung der Saatgutbestände für einzelne Baumarten entlang der drei beschriebenen Standortsachsen – Nährstoffversorgung, Wasserhaushalt und Klima – wurde ein  Ökogramm entwickelt. Es stellt sowohl die Waldfläche der Steiermark als auch die standörtliche Eignung der Baumarten entlang dieser Achsen dar.
Für 15 Baumarten wurden solche Ökogramme erstellt. Die Eignung der Saatgutbestände beziehungsweise der Baumarten auf den jeweiligen Standortkombinationen wurde für alle in der Steiermark vorkommenden Ausprägungen anhand einer Experteneinschätzung in vier Klassen eingeteilt: „nicht geeignet“, „mäßig geeignet“, „gut geeignet“ und „sehr gut geeignet“.
Diese Bewertung berücksichtigt sowohl autökologische Risiken (etwa durch ungünstige klimatische oder bodenbezogene Bedingungen) als auch die synökologische Eignung, also das Zusammenspiel mit anderen Baumarten auf vergleichbaren Standorten. In einem weiteren Schritt kann man mithilfe der dynamischen Waldtypisierung jedes Waldstück der Steiermark auf dem Ökogramm „verorten“ und geeignete Saatgutquellen gezielt auswählen – basierend auf standörtlicher Ähnlichkeit, etwa in Bezug auf den Wasserhaushalt oder Kalkstandorte.

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Modellgestützte Herkunftsempfehlungen für sieben Baumarten
Standortsähnlichkeiten und lokale Anpassungen erlauben keine verlässliche Einschätzung der Eignung von Herkünften unter zukünftigen Klimabedingungen. Daher wurden sogenannte Universelle Klima-Response-Modelle entwickelt. Sie basieren auf europaweit harmonisierten Daten aus Herkunftsversuchen und verknüpfen das Wachstum verschiedener Herkünfte mit den jeweiligen Klimabedingungen an den Versuchsstandorten. Auf dieser Grundlage lassen sich belastbare Aussagen über die Leistungsfähigkeit von Herkünften unter zukünftigen Klimaszenarien treffen – beispielsweise für die Steiermark. Die Herkünfte werden dabei zu Klimagruppen mit ähnlicher Wuchsleistung zusammengefasst. Das Modell erlaubt die Auswahl jener Herkunft, die unter einem festgelegten Klimaszenario das beste Wachstumspotenzial aufweist – inklusive Rückschluss auf ihren geographischen Ursprung (siehe Beispiel für Weißtanne).
Unter dem Klimaszenario RCP 8.5 für den Zeitraum 2060–2080 reduziert sich die Anzahl geeigneter Saatgutbestände in der Steiermark deutlich – von ursprünglich 948 auf nur noch 76 Bestände (bezogen auf sieben Baumarten). Viele der als „weniger geeignet“ eingestuften Bestände könnten jedoch weiterhin für andere Regionen Österreichs relevant sein. Eine zusätzliche Analyse zeigt, dass die meisten empfohlenen Klimagruppen grundsätzlich durch österreichische Herkünfte abgedeckt werden können, wenngleich teilweise nur wenige Saatgutbestände verfügbar sind. Für Weißtanne, Buche und Traubeneiche wird für die Steiermark ein verstärkter Rückgriff auf internationale Herkünfte empfohlen. Dazu wurde ein Verzeichnis internationaler Saatgutquellen um aktuelle Daten aus Italien, Slowenien, Ungarn, Bosnien und Herzegowina sowie Serbien ergänzt. Diese Informationen erweitern bestehende Systeme wie FOREMATIS und bieten eine fundierte Entscheidungsbasis – besonders für Behörden, Förderstellen und die Praxis im internationalen Saatguttransfer.

Webtipp: www.bundesamt-wald.at/forstliches-vermehrungsgut/natreg.html

Literatur: Irauschek et al. (2025): Klimafittes Saatgut für die Steiermark – Herkunftsempfehlungen auf Basis von Standort, Klima und Saatgutverfügbarkeit. Projekt LE 14-20 / L6-2023-A10-761-6, unterstützt von Bund, Land Steiermark und Europäischer Union, Bundesforschungszentrum für Wald (BFW), Wien, 75 Seiten, ISBN: 978-3-903258-90-7