Am 16. Juli 2021 hat die Europäische Kommission (EK) ihre neue EU-Waldstrategie 2030 veröffentlicht. Die zukunftsträchtigen Vorschläge der europäischen Waldbesitzer wurden weitgehend ignoriert. Sogar die inhaltlichen Anregungen der Mitgliedsstaaten (MS) und des Europäischen Parlaments finden sich nur ansatzweise wieder. Von ihrer gesamthaften Wirkung ist diese Forststrategie für den Forst- und Holzsektor problematisch.
Grundsätzlich ist es richtig und auch höchst notwendig, dass dem Klimaschutz von der EK höchste Priorität eingeräumt wird. Beim Weg, um die bereits verschärften Klimaziele zu erreichen, scheiden sich jedoch die Geister. Um eine bilanztechnische Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, will die EK den „Kohlenstoffspeicher Wald“ massiv ausbauen. Das heißt die Holzvorräte im Wald sind zu steigern. Dies wiederum bedeutet, dass der Holzeinschlag in Europa deutlich zu senken ist. Die Umsetzung wird über diverse Rechtsakte erfolgen, auf die in der Forststrategie Bezug genommen wird.
Zusätzliche Außer-Nutzung-Stellungen wahrscheinlich
Die Waldstrategie übernimmt völlig undifferenziert die Forderungen der EU-Biodiversitätsstrategie. Diese verlangt, dass alle Urwälder und „alten Wälder“ streng geschützt werden müssen. Strenger Schutz bedeutet de facto eine Außer-Nutzung-Stellung. Völlig offen ist dabei, was unter “alten Wäldern“ zu verstehen ist. Die Diskussionen reichen von alle Bestände über 80 Jahre, bis zu Wälder, die urwaldähnliche Strukturen aufweisen. Da die EU-Biodiversitätsstrategie verlangt, dass 10 % der Landökosysteme unter strengen Schutz gestellt werden, ist davon auszugehen, dass der Druck auf den Wald enorm werden wird. Derzeit stehen in Österreich 3 % des Waldes unter strengem Schutz.
Reduktion der Holzerntemenge angestrebt
In der Strategie wird auch die Überarbeitung der Verordnung „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft“ (LULUCF) angesprochen. Diese regelt bereits jetzt, wie hoch die Holzernte im jeweiligen Mitgliedsstaat ausfallen darf. Österreich hat ausverhandelt, dass zwischen 2021 und 2025 im Schnitt pro Jahr rund 20 Mio. Efm geerntet werden dürfen, ohne ein Vertragsverletzungsverfahren zu riskieren. Zukünftig will die EK diese Holzerntemenge über „Delegierte Rechtsakte“ den Mitgliedsstaaten einfach vorschreiben. Bei deutlich verschärften Klimaschutzvorgaben ist daher ab 2026 mit einer spürbaren Reduktion der „erlaubten“ Holzernte zu rechnen. Dies alles mit dem Argument des Klima- und Biodiversitätsschutzes. Logisch hingegen wäre, dass selbstverständlich der jährliche Zuwachs geerntet werden darf, um zusätzlich Holz für die Bioökonomie zur Verfügung zu haben.
Nachhaltigkeit neu definieren
Zusätzlich zu den Nachhaltigkeitskriterien des Forstministerprozesses (Forest Europe) will die EK zusätzliche Indikatoren inklusive erlaubter Grenzwerte für nachhaltige Waldbewirtschaftung schaffen. Diese betreffen den Gesundheitszustand des Waldes, die Biodiversität und die Umsetzung von Klimaschutzvorgaben. Die EK vertraut beim Nachweis einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung nicht mehr auf Daten der MS (z. B. Österr. Waldinventur), sondern möchte ein eigenes Monitoring aufziehen. Auch wenn diese Nachhaltigkeitsvorgaben vorerst auf freiwilliger Basis umgesetzt werden sollen, ist damit zu rechnen, dass diese rasch in diverse Rechtsakte einfließen werden.
Nationale Forstgesetze werden unterlaufen
Die EK erachtet die nationalen Forstgesetze scheinbar als völlig unzureichend, weil sie einen dringenden Bedarf an einer ökosystembasierten Bewirtschaftung sieht. Aus ihrer Sicht sollen künftig biodiversitätsfreundliche Waldbewirtschaftungspraktiken angewendet werden. Anstelle der Aufforstung von Monokulturen sollen ungleichaltrige Bestände und Dauerwaldbewirtschaftung Einzug halten. Kahlschlag soll nur mehr in geprüften Ausnahmefällen, z. B. aus ökologischen Gründen angewendet werden dürfen. Daher beabsichtigt die EK, sowohl „Leitlinien für eine biodiversitätsfördernde Aufforstung und Wiederherstellung von Waldökosystemen“ als auch „Leitlinien zu einer naturnäheren Forstwirtschaft“ zu erarbeiten. Relevant werden diese voraussichtlich bei der forstlichen Förderung als Fördervoraussetzung, zudem werden diese Inhalte rasch in Rechtsakte wie z. B. der Taxonomie-Verordnung einfließen.
Teure Nachhaltigkeitszertifizierung droht
Zur Überprüfung einer „naturnäheren Forstwirtschaft“ will die EK ein eigenes Zertifizierungssystem entwickeln. Es ist zu erwarten, dass es eine einzelbetriebliche Zertifizierung mit jährlicher Betriebskontrolle geben wird. Die Zertifizierung wird für Waldbesitzer daher teuer werden. Die an die kleinstrukturierte Besitzstruktur in Europa angepasste und kostengünstige PEFC-Zertifizierung könnte rasch an Bedeutung verlieren.
Energetische Verwertung von Holz unerwünscht
Die EK sieht den Bedarf, die Nachhaltigkeitsvorgaben für Holzbiomasse zu stärken. Das inkludiert verschärfte Nachhaltigkeitskriterien für Bioenergie und die Anwendung und Überprüfung dieser für Anlagen ab 5 MW (bisher 20 MW). Das sogenannte „Kaskadenprinzip“ soll gesetzlich verankert werden. Das Kaskadenprinzip besagt, dass alles Holz, das sich für eine stoffliche Verwertung eignet, der stofflichen Verwertung zugeführt werden muss. Dies würde z. B. einen Andienungszwang von Faserholz an die Papierindustrie bedeuten.
Verteuerung der energetischen Holzverwertung
Die Umsetzung all dieser Vorgaben erfolgt wieder über eine Zertifizierung. Insgesamt drohen dadurch extrem hohe Kosten und die Wettbewerbsfähigkeit von Holz im Vergleich zu fossilen Produkten sinkt weiter. Holz ist der wichtigste erneuerbare Energieträger in der gesamten EU. Wenn durch verteuernde Maßnahmen die Verwendung von Holzbiomasse unattraktiv gemacht wird, laufen die MS unweigerlich in kostspielige Vertragsverletzungsverfahren hinein.
Klassischer Forstberuf ausgedient?
Nach Ansicht der EK soll die forstliche Aus- und Weiterbildung an die Herausforderungen und den Bedarf der heutigen Realitäten angepasst werden. Die neue Realität scheint zu sein, dass neue Allianzen zwischen Tourismus und Forstwirten gesucht werden sollen. Ökotourismus wird als adäquate Einkommensalternative zur Holzproduktion gesehen.
Abgeltung von Ökosystemleistungen
Es mag als Erfolg gesehen werden, dass die EK endlich die politische Absicht artikuliert, konkrete Ökosystemdienstleistungen der Waldbewirtschafter zu vergüten. Sie verabsäumt es aber leider, dafür einen eignen Geldtopf bereitzustellen. Dieser müsste auch mehrere Milliarden schwer sein, um für die rund 16 Millionen Waldbesitzer in der EU eine einkommensrelevante Wirkung zu erzielen. Stattdessen sollen im Rahmen der GAP auf nationaler Ebene diesbezügliche waldbezogene Maßnahmen ausgebaut werden. Die GAP-Mittel für die neue Förderperiode sind aber längst vergeben.
Fazit
In der neuen EU-Waldstrategie steht die Kohlenstoffspeicherung im Wald und der Schutz der Biodiversität im Vordergrund. Die Summe der Maßnahmen wird die Bewirtschaftung massiv einschränken bzw. verteuern. Die EK schwächt damit eine Stärke Europas. Dies ist der auf Basis einer nachhaltigen und multifunktionalen Waldbewirtschaftung gewonnene Rohstoff Holz, der eine zentrale Rolle im Kampf gegen die Klimakrise einnehmen sollte. Bei Umsetzung der Vorstellungen der EK wird mittelfristig die gesamte Wertschöpfungskette geschwächt, zahlreiche Arbeitsplätze werden gefährdet. Auf den ersten Blick positiv erscheinende Maßnahmen, z. B. zur Bioökonomie oder Abgeltung von Ökosystemleistungen erweisen sich bei genauerer Betrachtung als wenig konkret bzw. wirkungslos. Als Waldbesitzer kann man daher nur sagen: Neue EU-Waldstrategie - Nein danke!