„Wölfe in Europa“ - Stellungnahme

Ein Artikel von Veronika Maierhofer | 19.12.2023 - 10:47
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Wölfe in Europa © Pixaby

Die Erhaltung von Wildlebensräumen in der Kulturlandschaft, die gezielte Lenkung in Rückzugsräume zur Konfliktvermeidung mit der Land- und Forstwirtschaft, die wissenschaftliche Erhebung von Einflussfaktoren auf Wildbewegungen und das umfassende Monitoring der heimischen jagdbaren Wildarten zählen neben der nachhaltigen Nutzung von Wildtieren als Lebensmittel- und Rohstoffgewinnung, zu den ureigensten Aufgaben der Jagd.

Daher ist die Rückkehr der großen Beutegreifer in Österreichs Kulturlandschaft ein Thema, mit dem sich die Jagd aufgrund der negativen Auswirkungen auf die Wildverteilung in der Kulturlandschaft, der Einschränkung des Wildlebensraumes durch Zäunungen, möglicher Wildkonzentrationen in sensiblen Schutzwaldgebieten und der schadensunabhängigen Haftung für Wildschäden der Jagdausübungsberechtigten möglichst vorausschauend befasst.

Die österreichischen Landesjagdverbände beziehen mit diesem Dokument aufgrund der direkten Betroffenheit und der gesellschaftspolitischen Fragestellung eine klare Position.

Zum rechtlichen Status großer Beutegreifer wie Wölfe, Luchse und Bären in Österreich ist festzuhalten, dass diese in allen neun Landesjagdgesetzen ganzjährig geschont sind. Der Schutzstatus dieses Großraubwildes im Sinne eines absoluten Tötungsverbotes wurde mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union 1995 ausgeweitet, da die Wölfe, Luchse und Bären EU-weit seit 1992 unter den Schutz der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) gestellt wurden (Österreich: Anhang II und IV). Zweck dieser nun mehr 29 Jahre alten Richtlinie ist die Wiederherstellung bzw. Bewahrung eines günstigen Erhaltungszustandes im jeweiligen Mitgliedsland.

 

Das Wildtier „Wolf“ in Österreich

Als wichtigster Maßnahmenpartner der Land- und Forstwirtschaft in diesem Fachbereich mit 130.000 ausgebildeten Mitgliedern registriert Jagd Österreich neben dem Anstieg der Wolfspopulationen in Österreich eine enorme Steigerung der Übergriffe von Wölfen auf Weidetiere. Aus Sicht der Populationsdynamik handelt es sich bei den in Österreich lebenden Wölfen um durchziehende bzw. herumziehende Einzelindividuen sowie stationäre Tiere und Rudel. Die Vermehrungsrate der Wölfe wird aufgrund von Daten aus Nachbarländern auch in Österreich auf über 30 % geschätzt. Die Wachstumskurve bis zur Erreichung der Lebensraumkapazitätsgrenze verläuft exponentiell (K-Stratege).

Da Wölfe sehr anpassungsfähig sind und kaum Ansprüche – bis auf das Nahrungsangebot – an ihren Lebensraum stellen, ist ein Zuwarten bis zur Erreichung der Kapazitätsgrenze, an der die Reproduktionskurve abflacht und eine natürliche Regulation der Population durch Seuchen eintritt, der Biodiversität in Europa und der Wildtiergesundheit höchst abträglich und gilt aus Sicht der Jägerschaft zu vermeiden!

Es ist in Österreich aber auch in ganz Europa mit einer stetigen Zunahme der Wolfsdichte zu rechnen. Derzeit wird die Population in Europa auf 30.000 und in Mitteleuropa (ohne Russland und Ukraine) auf über 18.000 Wölfe geschätzt. Obwohl dieses Großraubwild, wie auch viele andere Tierarten beziehungsweise Säugetiere, mit einigen Bedrohungen konfrontiert ist, sind seine relative Verbreitung und die stabile Populationsentwicklung hinreichende Gründe dafür, keines der Kriterien für gefährdete Tierarten in Europa als erfüllt oder annähernd erfüllt zu beurteilen. Daher ist der Wolf keine vom Aussterben bedrohte Tierart. Die vorliegenden Daten zum exponentiellen Wachstum der Wolfspopulation in Europa ermöglichen aus Sicht der Jägerschaft gezielte Entnahmen zur Lenkung und zur Konditionierung der Wolfspopulation im Sinne eines nachhaltigen Managements, ohne die Gesamtpopulation zu gefährden. Diese lenkenden Eingriffe sollen zudem die Scheu des Wolfes vor dem Menschen und vor menschlichen Konstruktionen sowie Weidetieren fördern.

 

Direkte Betroffenheit der Jagd

Der Nahrungsbedarf ausgewachsener Wölfe liegt durchschnittlich bei 2 bis 3 Kilogramm Fleisch pro Tag. Aufgrund der dafür notwendigen intensiven Bejagung durch dieses Großraubwild, kommt es zusätzlich zu den stets ansteigenden Belastungen innerhalb der Lebensräume zu einer verstärkten, dauerhaften Beunruhigung, vor allem von Rotwild. Das verändert die Lebensweise der genannten Wildtiere, was vermehrte Schäden am Wald (z.B. Schälschäden) zur Folge hat, wobei diese wegen der verursacherunabhängigen Wildschadensentschädigung von der Jägerschaft ersetzt werden müssen.

Verschärfend kommt hinzu, dass das Rotwild an Fütterungsstellen, welche aus Gründen der Lenkung und der Überbrückung von Notzeiten im Winter eingerichtet werden, durch ein verstärktes Auftreten von Wölfen massiv gestört werden kann. Ist dies vermehrt der Fall, zieht sich diese Wildart in größeren Rudeln in schwer zugängliche Lagen zurück. Dabei besteht zusätzlich zur oben geschilderten erhöhten Wildschadensproblematik die Gefahr, dass es in den betroffenen Gebieten zu Hungerfraß kommt und die dringend notwendigen Schutz- und Bannwälder verstärkt gefährdet beziehungsweise geschädigt werden. Rotwild ist in vielen Lebensraumbereichen vom Menschen nicht geduldet und kann bzw. darf daher Wölfen nicht so ausweichen wie es gerne würde.

Um die Dimension dieses gravierenden Problems greifbar zu machen, werden hier die Anzahl der Fütterungen und Wintergatter samt Rotwilddichte für die relevanten Bundesländer dargestellt (nur Bundesländer mit behördlicher Melde- oder Genehmigungspflicht).

Zu bemerken ist, dass diese Einrichtungen dazu dienen Rotwild aus den sensiblen Schutzwaldbereichen (Lawinenschutz, Steinschlag, Muren etc.) fernzuhalten und hier bereits mit der touristischen Raumnutzung erhebliche Probleme bestehen bzw. als Ersatz für nicht mehr verfügbare Überwinterungsgebiete dienen:

• Salzburg: 223 Rotwildfütterungen und 15 Wintergatter

• Oberösterreich: 4 meldepflichtigen Wintergatter, ca. 150 Rotwildfütterungen

• Steiermark: 340 Rotwildfütterungen davon 110 Wintergatter. Der Rotwildbestand wird auf 30.000 Stück geschätzt. Zwischen 20.000-25.000 Stück überwintern an den Fütterungen. Der Hintergrund dafür ist, dass die Hauptüberwinterungsgebiete des Rotwilds im Süden des Bundeslandes liegen, dieses Drittel der Landesfläche aber zur Rotwild freien Zone erklärt worden ist. Die restlichen 10.000-5.000 Stück überwintern frei.

• Tirol: 3.485 Rehwildfütterungen, 556 Rotwildfütterungen und 10 Muffelwildfütterungen. Winterbestand des Rotwilds 36.000 Stück.

• Vorarlberg: Ca. 85 Rotwild Fütterungen davon fünf Wintergatter. Herdenschutzanlagen und Wölfe würden hier den Raum so eng machen, dass mit katastrophalen Auswirkungen zu rechnen ist. Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle bleiben, dass die Schutzwälder bereits jetzt auf Grund des Klimawandels und Borkenkäferkalamitäten erheblich unter Druck stehen und sich in den Gebirgsregionen und Talschaften durch die Verschlechterung der Schutzwirkungen, Naturkatastrophen erheblichen Ausmaßes nicht mehr ausschließen lassen könnten.

 

Auswirkungen auf Lebensräume

Gravierende negative wirtschaftliche und ökologische Auswirkungen aufgrund der leichteren Verfügbarkeit der Weidetiere als Beute und das beobachtbare Ausweichverhalten des effizient agierenden Beutegreifers „Wolf“ treten sukzessive auf den Almen sowie in zum Teil dicht besiedelten, land- und forstwirtschaftlich genutzten Lebensräumen auf. Mit rund 20 Prozent der Landesfläche Österreichs, entspricht die Almfläche 16.600 Quadratkilometer bzw. rund 2,3 Millionen Fußballfelder, verteilt auf rund 9.200 einzelne Almen. Die Almwirtschaft ist dementsprechend ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und in Bezug auf die Flächennutzung und Nahrungsgrundlage von Wildtieren von besonderer Bedeutung. Viele Almbauern verzichten allerdings bereits auf die Sommerweide, da in einigen Gebieten eine große Anzahl an Rissen registriert wird.

Das bedeutet nicht nur hohe finanzielle Verluste für die Alm- und Landwirtschaft, sondern auch eine massive Belastung aller Lebensräume sowie des Landschaftsbildes. Dadurch wird zudem die Haltung von Nutztieren, aber auch eine touristische Nutzung, gefährdet und wertvolle Biodiversitäts- und Nahrungsflächen für verschiedenste Wildtiere gehen verloren.

Dies stellt einen ungerechten Eingriff in die Wildlebensräume, die Biodiversität und die touristische Identität Österreichs dar, weswegen insbesondere diese Flächen als Lebensraum für Wölfe als ungeeignet betrachtet werden müssen, da das Konfliktpotential als kritisch einzustufen ist.

Bereits andiskutierte Herdenschutzmaßnahmen sind ebenfalls insofern in Frage zu stellen, als sie einen massiven Eingriff in die Lebensräume der heimischen Arten darstellen. Die Erfahrungswerte aus den vergangenen Jahren in Österreich wie auch die eindeutig dokumentierten Erfahrungswerte aus anderen EU-Staaten (Bsp. Schweden) zeigen hinreichend, dass Einzäunungen durch Wanderbeweidung im Hinblick auf topografischen Gegebenheiten schwer oder nicht umsetzbar sind. Erschwerend kommt hinzu, dass solche Zäunungen durch Elementarereignisse wie etwa Windwurf, Pflanzenwuchs und Schäden durch herunterragende Äste bzw. aufgrund von Wechselwirkungen anderer Wildarten etwa durch die Untergrabung der Zäune sowie auch aufgrund der Lernfähigkeit der Wölfe (überspringen) nur kurzfristig wirksam einsetzbar sind. Weiters erschweren derartige Zäunungen allen Wildtieren den Zugang zu Lebensräumen und artgerechter Äsung, was weitere Konflikte in Hinblick auf das Raumnutzungsverhalten begünstigt und zudem etwaige Lenkungsmaßnahmen weg von sensiblen Bereichen, wie etwa Schutz- und Bannwälder konterkariert. Vor allem für größere Vogelarten, wie etwa das ebenfalls unter Schutz stehende Birkwild, sind Zäune tödliche Hindernisse.

Die qualvollen Folgen des Verhedderns von horn- bzw. geweihtragenden Arten, die durch den Versuch, zumindest die Randbereiche jener Äsungsflächen zu erreichen, aus denen sie durch die Herdenschutzzäune großflächig ausgesperrt werden, sind in der Schweiz bereits als Begleiterscheinung von Herdenschutzzäunen in Almgebieten dokumentiert. Mit schwersten Verbrennungen werden vor allem Rehböcke und Gamswild aufgefunden. Für kleinere Arten führt auch der schwächere Stromstoß der untersten Litze des Herdenschutzzaunes bereits zum Tod, darunter befinden sich auch geschützte Arten.

Der Einsatz von Herdenschutzhunden ist mit rund 2.000,- € pro Hund, pro Jahr ein enormer Kostenfaktor. Ein flächendeckender Einsatz dieser Hunde würde für Österreich einen Aufwand von ca. 37. Millionen Euro pro Jahr bedeuten und stellt zudem für Spaziergänger und Haushunde ein potenzielles Sicherheitsrisiko dar. Weiters haben Auseinandersetzungen zwischen Haus- und Herdenschutzhunden meist einen tödlichen Verlauf, sodass es zwangsläufig zu einer weiteren Einschränkung in der touristischen Nutzung kommen wird.

Zudem sind Übergriffe von Herdenschutzhunden auf unter Schutz stehende Arten mittlerweile dokumentiert. Die großflächige Haltung von Herdenschutzhunde würde für unter Druck stehende Arten eine weitere Gefahr bedeuten (Verlust von Jungtieren, Gelegeverluste bei Birkwild und anderen Bodenbrütern, etc.) Gleichzeitig besteht durch eine nicht gelenkte Verbreitung von Wölfen in der Steiermark durch die Wechselwirkungen zwischen Raubtier, Pflanzenfresser und Vegetation. Die Gleichung „Wolf = weniger Wild = weniger Verbiss“ ist zu einfach und wird den komplexen Wechselwirkungen nicht gerecht. Auswirkungen auf die räumliche und zeitliche Nutzung von Lebensräumen durch Schalenwild sind in der dicht genutzten Kulturlandschaft zu befürchten und die Waldverjüngung beeinflussen. Im waldreichsten Bundesland Österreichs mit einem hohen Anteil an verjüngungsnotwendigen Schutzwäldern kann der Fraßdruck durch das Aussperren von Äsungsflächen einerseits und das Ausweichen des Schalenwildes in unzugängliche (Schutz)waldgebiete die Verjüngung negativ beeinflussen. Das Ausweichen des Schalenwildes und die Konzentration in unzugänglichen Waldgebieten um den Stressoren Beunruhigung durch intensive Freizeitnutzung, geforderten Jagddruck und den Beutegreifer-Druck ist zu befürchten.

Fazit: In unseren Kulturlebensräumen – unter anderem mit intensiver Alm- und Weidewirtschaft sowie touristischer Nutzung – führt die Anwesenheit des Wolfes unumgänglich zu unvermeidbaren Konflikten. Der nicht zu unterschätzende Verlust von Individuen gefährdeter Arten durch Herdenschutzzäune ist im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise proaktiv in die Diskussion einzubringen. Eine Lösung dieser Konfliktsituation ist eine wildökologische Raumplanung für Wölfe, die an die Regelung in Nordschweden und der dortigen Ausnahmebestimmung zum Schutz der kulturell verankerten Rentierzucht angelehnt werden kann, da diese mit der Situation der österreichischen Almwirtschaft vergleichbar ist.

 

Management für alle Wildarten

Große Beutegreifer stehen in verschiedenen Beziehungen zu anderen Tierarten und zum Menschen. Unter anderem kam es in der Vergangenheit zu gefährlichen Annäherungen und Unfällen, die mit schweren Verletzungen oder gar tödlich endeten (59 Wolfsangriffe auf Menschen zwischen 1950 und 2000 in Europa, vier davon mit tödlichem Ausgang). Teile der Bevölkerung sowie Wirtschaftstreibende sehen deshalb mit großer Sorge, wie sich insbesondere Wölfe Ortschaften und Gehöften nähern sowie in Tourismusregionen Ängste bei Erholungssuchenden hervorrufen. Diese fehlende Scheu vor menschlichen Infrastrukturen ist u.a. auf eine fehlende Bejagung zurückzuführen.

Deshalb müssen die großen Beutegreifer und insbesondere Wölfe Teil eines ganzheitlichen Wildtiermanagements sein. Ein solches zielt darauf ab, die jeweilige Population in einer an das jeweilige Biotop angepassten oder verträglichen Dichte zu halten. Nehmen die Schäden oder die Gefährdungen der Artenvielfalt oder des Schutzes einzelner Arten überhand, sollte in Bestände rechtzeitig eingegriffen werden können. In dem Zusammenhang ist die Regulierung von Wölfen, Bären und Luchsen kein explizites jagdliches Ziel. Allerdings werden in absehbarer Zeit wohl erneut die Jägerschaften zur Problemlösung herangezogen, ohne selbst Verursacher zu sein.

 

Umfrage zur sozialen Akzeptanz der Wölfe in Österreich

Im Rahmen einer repräsentativen Umfrage zum Themenkomplex Jagd wurden den Teilnehmer:innen drei Aussagen zur Ausbreitung der Wölfe vorgestellt:

• Es gibt ernsthafte Bedenken und Sorgen in Bezug auf das verstärkte Auftreten von Wölfen und Wolfsrudel in der österreichischen Kulturlandschaft und insbesondere im alpinen Bereich.

• Bestimmte Gebiete und Regionen eignen sich nicht als Lebensraum für das Großraubwild Wolf, was bei Zunahme der Anzahl und bei Rudelbildungen Regulierungsmöglichkeiten erfordert.

• Der Schutzstatus für einige Wildarten, die sich stark ausbreiten können, sollte angepasst werden, weil deren verstärkte Anwesenheit zu erheblichen Nachteilen des ökologischen Gleichgewichtes oder einzelner durchaus sensibler heimischen Tier- und Pflanzenarten führen kann.

Die prozentualen Zustimmungs- und Ablehnungsraten zu den genannten Aussagen (Abb. 1., 2. u. 3.) zeigen ganz deutlich, dass die Mehrheit der Bevölkerung einer unkontrollierten Ausbreitung der Großraubtiere ablehnend gegenübersteht